Mittelerde ist in Luzern

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Seitdem der Film 2001 erschien, hat Peter Jacksons Adaption des Kultbuches DER HERR DER RINGE von J.R.R. Tolkien unzählige Rahmen gesprengt. Die erfolgreichste Trilogie aller Zeiten hat es bisweilen in nahezu jedes Bücher- oder DVD-Regal geschafft. Doch nicht nur auf dem Bildschirm erwacht Mittelerde zum Leben, sondern auch auf Ausstellungen, Conventions und Konzerten.

Vor einigen Jahren hat Howard Shore, der Komponist der HERR DER RINGE Filmmusik, sein monumentales Werk in Form einer Symphonie in den großen Konzert- und Veranstaltungssälen dieser Welt live aufgeführt. Nach über 100 Konzerten in 70 verschiedenen Städten wollte Shore Neues wagen: Er wollte den Film auf einer Großleinwand aufführen und synchron dazu die Filmmusik durch ein Symphonieorchester live einspielen. Im Herbst 2007 trat Howard Shore mit dieser Idee an das 21st Century Symphony Orchestra heran. Das in Luzern ansässige, mit über 80 Köpfen starke Orchester bewies bereits ihr Feingefühl für Shores Musik in einer Konzertreihe im Frühjahr 2007 – Am 23. Februar 2008 feierte dieses Event dann endlich seine Weltpremiere in Luzern.

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Mit über 200 Mitwirkenden, einer riesigen Leinwand im Wert von 11.000 € und einem 160.000 € teuren Hightech-Beamer wurde in Zusammenarbeit mit Howard Shore ein Liveevent ohne gleichen kreiert. "Das Konzert hier in der Schweiz ist das erste Mal, dass die komplette Filmmusik zu THE FELLOWSHIP OF THE RING live zum projizierten Film gespielt wird", so Shore. Während des Konzertes wurde der englische Originalton durch Lautsprecher in den Saal eingespielt. Der Film war indes mit deutschen Untertiteln versehen.

Die Generalprobe

Am Morgen des 23. Februar 2008 fand die Generalprobe im Luzerner KKL statt. Das Kultur- und Kongresszentrum Luzern wurde 1998 nach den Plänen des Architekten Jean Nouvel erbaut und enthält neben dem Luzerner Saal (einem Multimediaauditorium) einen Konzertsaal mit 1839 Sitzplätzen. Auf der Kopfseite des Saales, über dem Orchester, war die Leinwand angebracht, direkt darunter saß oder stand der Chor, der aus dem 21st Century Symphony Chorus und den Luzerner Sängerknaben bestand. Schon beim Betreten des Saales erfasst man die majestätische Atmosphäre und hört die Musiker, wie sie ihre Instrumente einspielen. Man vernimmt das 'Gefährten'-Thema auf einem Horn, aus einer anderen Ecke ertönen die Harmonien Lothlóriens, und aus der letzten Reihe des Orchesters hört man den bedrohlichen Fünfvierteltakt Isengards auf einer Eisenbahnschiene. Noch finden die Einstellungen des Tones statt, der Film läuft auf der Leinwand vor sich hin und der Saal ist hell erleuchtet.

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Nach dem Ludwig Wicki, der Dirigent des Abends, die Bühne betritt, kehrt langsam Ruhe ein und die Probe beginnt. Während der Probe konnte man die Anspannung im Saal förmlich spüren. Angehörige des Hauses und der Mitwirkenden sehen auch gerade zum ersten Mal ein Ereignis, das es in dieser Form noch nie gegeben hat. Hier und dort wird die Vorführung unterbrochen und Ludwig Wicki gibt seinem Orchester neue Anweisungen, spricht in ein kleines Tischmikrofon auf seinem Pult und der Film kehrt zu einer von ihm ausgewählten Stelle zurück. Als die Gefährten auf der Wetterspitze ankamen, bemerkt man auf einmal eine dunkle Gestalt zwischen den Reihen des Parketts auf und ab gehen: Kein geringerer als Howard Shore. In Rollkragenpullover, Cordhose und braunen Lackschuhen schleicht er durch den Saal, prüft die Akustik und verweilt zum Hören. Ab und an wirft er einen Blick in die Ränge oder begibt sich in Richtung Bühne. Frodo wird durch die Nazgûl verletzt und ruft nach Gandalf. Hier ertönt das böse 'Isengard'-Thema zum ersten Mal in seiner ganzen industriellen Gewalt. Ludwig Wicki war derart in Ekstase, dass ihm während dieser Akkorde sein Taktstock aus den Fingern glitt und in die hinteren Reihen des Orchesters flog. Dies sorgte selbstverständlich für einige Lacher beim anwesenden Publikum.

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In der Pause nach Elronds Rat strömten die Beteiligten des Chores, die überraschender Weise durch die Bank recht jung waren, zum Maestro Shore um sich ihre Signaturen abzuholen: Von SPECIAL EXTENDED EDITION-Covern, Soundtrack-Inlays und der Box der Complete Recordings wurden auch Unterarme und Basecaps von Howard Shore signiert. Während der Pause tauchte Jean Jacques Cesbron, der ausführende Vize-Produzent von Columbia Artists Management, frisch aus New York auf und die Fans mussten somit ihre Audienz mit Mr. Shore abbrechen. Nach der Pause begann der zweite Akt mit einer kurzen Ouvertüre, in der die Abschlusstakte des ersten Aktes wiederholt wurden und das 'Gefährten'-Thema in einer phantastisch kraftvollen Darstellung zum Besten gegeben wurde. In der Generalprobe sowie bei der Weltpremiere des Konzertes gab es nach diesem Teil euphorischen Applaus.

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Nachdem der zweite Akt beendet war, bedankte sich Ludwig Wicki in einer kurzen, rührenden Rede bei Howard Shore für sein wundervolles Werk. Das Orchester und die Anwesenden der Generalprobe applaudierten beherzt. Ebenfalls bedankte sich Howard Shore beim Dirigenten und wandte sich in einer kurzen Rede an das Orchester, den Chor und die Solisten. Einen Einblick in das Werk hatte man somit bekommen, doch ahnte man noch nicht, was einen am Abend erwartete.

Die Weltpremiere

Eine Stunde vor der Weltpremiere des Konzertes fand eine Einführung mit Howard Shore statt. Gesprächsleiter sollte eigentlich Doug Adams, Autor der Annotated Scores, sein. Er ist jedoch kurzfristig erkrankt und so übernahm Pirmin Zängerle, der technische Leiter des Kultur- und Kongresszentrum Luzern und Produzent des Konzertes die Moderation. Es wurden einige musikalische Themen eingespielt und Howard Shore berichtete über den Schaffensprozess und seine Arbeit an der Musik. Außerdem wurden einige Instrumente und ihre Verwendung in der Musik genauer erklärt.

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Das Konzert begann mit dem Erscheinen des New Line Cinema Logos. Langsam und leise beginnt der Chor und nimmt das 'Lothlórien'-Thema auf. Man vernimmt Galadriels Stimme – und man ist in Mittelerde. Die Akustik des Saales stellt sich auch in einem vollbesetzten Zustand als grandios heraus. Ludwig Wicki hatte sein Ensemble voll im Griff. Er selbst stand auf einem kleinen Podest an seinem Pult. Die Partitur, eine in grün gefärbtes ledergebunde Ausgabe, lag vor ihm und gleich darüber war ein Monitor, etwa in der Größe eines Laptop-Monitors, aufgestellt. Dort lief der Film in einer für ihn bearbeiteten Fassung ab. Die Einsätze wurden durch über den Bildschirm laufende grüne Markierungen, Tempiwechsel durch violette Markierungen angezeigt. Der Takt wurde ihm ebenfalls in Form von großen weißen Kreisen, die nur für den Bruchteil einer Sekunde erschienen, angezeigt.

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Die Stimmung im Saal war ebenfalls grandios. Der Film ist nun schon über sechs Jahre alt und nicht wenige kennen ihn in- und auswendig. Dennoch ging an vielen Stellen ein Raunen durch den Saal, es wurde laut gelacht und leise geschmunzelt. Die Actionszenen an der Bruinenfurt, in Moria und am Amon Hen wurden mit einer Präzision gespielt, dass einem das Blut in den Adern stockte. Man sah Menschen, wie sie den Takt mit tippten und die Hände ihrer Begleitungen hielten. Somit hörte man auch nach dem Konzert etliche Zuschauer in den Gängen, im Foyer und selbst auf den Toiletten die Ohrwurmmelodien des Soundtracks summen und pfeifen.

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Schon in der Einführung erwähnte Howard Shore, dass sich die Musik von der Filmversion leicht unterscheidet. Hier hatte er die Möglichkeit, Teile der Partitur, die letztendlich dem Schnitt und diversen Soundeffekten zum Opfer fielen, wieder einzubauen. So ließ er an der Bruinenfurt die aleatorischen Hörner auftreten, die im Film den Soundeffekten weichen mussten. Auch die Musik Isengards erhielt einen neuen Schliff, indem die Musik einige Takte früher einsetzte (schon bei "Build me an army worthy of Mordor!"). Neue Chorpassagen waren zu hören und das Motiv der absteigenden Terzen für Mordor wurde öfter eingesetzt. Shore betonte, er finde es toll, hier seine ursprüngliche Komposition zum Besten geben zu dürfen.

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Die Musik war durchweg sehr laut und kraftvoll und ging daher auf eine sehr angenehme Weise bis ins Mark. So übertönte sie auch des Öfteren die eingespielte Tonspur, was dem ganzen aber keinen Abbruch tat. Qualitativ war die Performance auf gleichem Niveau wie die CD-Aufnahme der Complete Recordings, eingespielt durch das London Symphony Orchestra. Subjektiv betrachtet sogar um einiges besser, denn ein Live-Event dieser Art, mit dieser Dynamik und majestätischen Attitüde, erlebt man nicht auf CD. Das Orchester und der Chor zogen die Blicke des Publikums des Öfteren auf sich. Zu beobachten, wie sie ihre Instrumente spielen und die Musik Howard Shores derart voller Leidenschaft wiedergeben, war einfach einmalig. Nach dem Konzert gab eine euphorische Standing Ovation, die knapp 15 Minuten andauerte. Der Jubel galt nicht nur dem grandiosen Orchester, sondern auch Howard Shore persönlich, der zusammen mit Ludwig Wicki mehrmals die Bühne betrat und sich von den Zuschauern ehren ließ. Ludwig Wicki hat gezeigt, welches Potential in seinem Orchester steckt. Man kann nur hoffen, dass dieses auch in Zukunft durch weitere Projekte der gleichen Art zum Tragen kommt.

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Die Absprachen für eine Fortsetzung dieser Konzertreihe seien in Arbeit, so der Produzent. Angestrebt werde die Weltpremiere von THE TWO TOWERS im März 2009. Ein Besuch in der Schweiz sollte dann also bei jedem Liebhaber der Filme und der Musik auf dem Pflichtprogramm stehen!

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